Beetlejuice Beetlejuice (2024) | Film, Trailer, Kritik (2024)

Eine Filmkritik von Niklas Michels

Das Gruselkabinett des Tim Burton

Tim Burton ist ein vielsagender Name. Der Regisseur repräsentiert mit seinen verschobenen Gruselgeschichten die Filmsozialisierung einer ganzen Generation. Er erzählt Fabeln, Sagen, Blicke aus der Nische (aber immer im großen Stil). Unwahrscheinliche Ereignisse, denen doch Hollywood aus jeder Pore quillt. Seine Figuren sind Außenseiter: Edward mit den Scherenhänden, Victor Van Dort, Willy Wonka – Social-Outcasts, Identifikationsquellen. Seine Dialektik ist quasi emanzipatorisch, nur dass die Welt sich verändern muss anstelle der Figuren. Seine Welten sind Verniedlichungen des Makaberen; popkulturelle Oberflächen, die uns mittlerweile durch die Adern fließen. Tim Burton ist Kult. „Kult“ – was ein böses Wort, ein solches, das jegliche kritische Auseinandersetzung vorwegzunehmen scheint, sie schier unmöglich macht. Denn mit alldem ist noch kein einziges Wort über seinen neuen Film „Beetlejuice Beetlejuice“gefallen. 36 Jahre nach der Veröffentlichung des Originals kommt eine Fortsetzung zum „Kultfilm“.

Nach den Abenteuern des ersten Teils weckt ein Unfall die seelenaussaugende Ex-Frau (Monica Bellucci) von Beetlejuice (Michael Keaton) auf. Währenddessen muss die Heldin des ersten Teils Lydia Deetz (Winona Ryder) ihre Tochter (Jenna Ortega) aus dem Totenreich retten. Die Wege dieser beiden Geschichten werden sich nicht nur einmal kreuzen.

Ein lauter Donner. Nacht. Die Kamera schwebt wie ein Geist über einer Kleinstadt. Musik, als wären R.L. Stines Gänsehaut-Bücher erwachsen geworden. Bereits die erste Szene, gar der erste Satz des Films fasst die Gretchenfrage von Burtons Œuvre zusammen: „Die Lebenden und die Toten, können sie koexistieren?“ Dies rollt nicht nur das Narrativ aus, sondern steht symbolisch für den Kampf der Genres, in die Burton seine Figuren stützt. Es könnte ebenso fragen: „Hollywood und Autorenfilm, können sie koexistieren?“

Handwerklich ist seit Tim-Burton-Filmen wie Mars Attacks!(1996) viel passiert. Sein Mix aus praktischen und – notwendigen – CGI-Effekten ergibt einen für ihn klassischen, wenn auch nicht minder „campigen“ Look. Tiefe Räume, verschobene Skulpturen, als wären sie aus einem Max-Ernst-Gemälde ausgebrochen. Flüchtig bekommen sonst zweidimensionale Gestalten eine weitere, um Burtons Gruselkabinett auszuschmücken. Es ist sicherlich kein Zufall, dass Ernst und Burton bereits zusammen (im Max-Ernst-Museum Brühl) ausgestellt wurden. Ernst wird häufig als „Künstler der kaum merkbaren Verschiebungen“ bezeichnet. Burtons Verschiebungen sind jedoch so drastisch, dass die ursprüngliche Gestalt der Gegenstände kaum noch erkennbar ist. Burton ist kein Surrealist, es gibt Regeln, Verhältnismäßigkeiten. Nur Beetlejuice ist frei davon.

Für ihn gelten irdische Regeln nicht, frei nach Willen kann er zur Cartoonfigur werden, aus seiner Hand einen riesigen Boxhandschuh werden lassen oder seine Augen aus dem Kopf pressen. Beetlejuice ist damit ein Charakter außerhalb der Grenzen des Bildschirms; in seinem Ort oder seiner Form ist der Trickster omnipotent. Ein vergleichbares Porträt lieferte Jim Carrey in Die Maske (1994), wobei dieser seine Begrenzungen verspielter brach. Beide Filme teilen sich die Liebe zum Unwirklichen, die sich in der Überlagerung der Bilder mit Cartoon- und Zeichentrick-Handgriffen äußert.

Trotz all der Körperlichkeit und grotesken Spielereien (zum Beispiel des Wörtlichnehmens von „Spill your guts“) haben die Figuren kein Verlangen. Alles, was für die Toten zählt ist, wieder zu leben, alles, was für die Lebenden zählt ist, nicht zu sterben. Beetlejuice selbst, der im Jenseits allmächtig zu sein scheint, möchte lediglich wieder über die Erde wandern. Wie beantwortet Burton seine eigene Frage also? Können die Toten und die Lebenden koexistieren? Ein ewiger Kampf scheint unvermeidbar. Zwischen den Stühlen dieser tragischen Gegebenheit findet Burton sonst Poesie, die für seine diverse Fan-Gemeinde verantwortlich ist. Doch in diesem Film bleibt er oberflächlich.

Es ist ein Film, der vor Einfällen und Liebe zum Detail trieft, so sehr, dass Dramaturgie und eine zündende Geschichte weichen müssen. Die einzelnen Plot-Fäden verheddern sich, aus ihnen wird zuletzt ein Knoten, den Burton anhand einer Musical-Nummer zu lösen versucht. So beeindruckend und einnehmend diese auch ist, schlussendlich ist Beetlejuice Beetlejuice überwiegend angestrengt, an das alte Material anzuknüpfen – oder vielleicht sogar eine Legitimation seiner eigenen Existenz zu finden. Burton war einst ein großer Geschichtenerzähler, in Filmen wie Big Fish (2003) muss alles dem Narrativ weichen. Hier ist es andersrum. Anstelle von Tragik präsentiert Burton hier aber Ekstase. Beetlejuice Beetlejuice fühlt sich an wie eine Party – an die man sich am nächsten Morgen allerdings gar nicht mehr so gut erinnern kann.

Gesehen auf den Filmfestspielen von Venedig.

Beetlejuice ist wieder da! Nach einer unerwarteten Familientragödie kehren drei Generationen der Familie Deetz nach Winter River zurück. Das Leben von Lydia, die noch immer von Beetlejuice heimgesucht wird, gerät völlig aus den Fugen, als ihre rebellische Teenager-Tochter Astrid das rätselhafte Modell der Stadt auf dem Dachboden entdeckt und das Tor zur Welt der Toten unbeabsichtigt geöffnet wird. Sowohl im Diesseits als auch im Jenseits braut sich alsbald Unheil zusammen. Nur eine Frage der Zeit also, bis jemand den Namen Beetlejuice dreimal ausspricht und der spitzbübische Dämon zurückkehrt, um seine ganz eigene Art von Chaos zu verbreiten.

Beetlejuice Beetlejuice (2024) | Film, Trailer, Kritik (2024)

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